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Das zweite Leben von Emanuel Sturny begann am 20. Oktober

Emanuel Sturny
06.05.2016
Er lehrte gerade, wie man Leben rettet mit einem Defibrillator, als seines plötzlich zu enden drohte. Die Geschichte einer Lebensrettung unter speziellen Umständen.

Es war einmal . . . Halt, falscher Beginn, denn diese Geschichte ist wahr.
Auf einmal kippt Emanuel Sturny vornüber, Herzstillstand. Klammerflimmern. Um ihn herum stehen zehn Kursteilnehmende, die just an diesem Tag einen First-Responder-Kurs absolvieren. Eben noch wollte Sturny ihnen zeigen, wie ein AED-Defibrillator funktioniert. Darum liegt ein Schulungsmodell am Boden neben Sturny. Das «scharfe» Gerät aber ist an seinem Standort, ein Stockwerk und rund fünfzig Meter von ihm entfernt.


Kein Spiel, sondern Ernst
Hinten im Kurslokal steht genau zu dieser Zeit Pascal Erard. Er hat als Verantwortlicher für Infrastruktur und Sicherheit im Neubau der IV-Stelle Kanton Bern an der Stadtberner Scheibenstrasse diesen Kurs organisiert. Er sieht, wie Sturny plötzlich fällt, und denkt sich: «Sehr realistisch, wie er das macht.» Trotzdem geht Erard näher und sieht die Schürfwunde am Kopf von Sturny. Da ist für ihn klar, dass dies kein Schauspiel ist. Es ist ernst. Erard läuft aus dem Lokal, ihm kommt in den Sinn, dass er gerade vorher einen bei der IV tätigen Arzt vorbeigehen sah. Den holt er ein und schickt ihn ins Kurslokal, rennt weiter und holt den richtigen Defibrillator von der Wand. Zurück ins Lokal, der Arzt macht Herzmassage und beatmet Sturny, Kursteilnehmer lösen ihn dabei ab. Dreimal wird der Defibrillator eingesetzt. Zwei «Schüsse» braucht es, bis Sturnys Herz wieder schlägt. Das Ganze dauert sechs Minuten, dann ist die Sanitätspolizei vor Ort, und Emanuel Sturny ist gerettet. Ohne Spätfolgen.


Er selber weiss heute noch, wie er damals am Boden kniete und den Defibrillator erklärte. Er habe den Kursteilnehmern noch sagen können: «Jetzt ist mir schwindlig.» Ab diesem Zeitpunkt weiss er nichts mehr. Die nächsten Wahrnehmungen sind das Gesicht eines Sanitäters, die Bahre, der Rettungswagen und das Inselspital.
Der Verdacht auf Herzinfarkt stellt sich als falsch heraus. Sturny leidet an einer vererbten Verdickung des Herzmuskels. Bis zum 20. Oktober 2015 wusste er nichts davon. «Heute trage ich einen Herzschrittmacher in mir, der den Puls nicht anschiebt, sondern ihn bremst, sollte er auf zweihundert Schläge pro Minute ansteigen.» Für Sturny die Gewähr, dass so etwas nicht wieder vorkommt.


Hobby und Passion
Emanuel Sturny gibt bei der IV-Stelle Kanton Bern schon seit langem Kurse. Und er ist ein Lehrer, der darauf achtet, dass er möglichst realitätsnah unterrichtet. «Das am 20. Oktober war aber zu viel des Guten», scherzt er heute. Die Kurse im Haus der IV-Stelle finden jährlich statt. «Wir haben eine Nothelferorganisation im Haus, darum die wiederkehrenden Kurse», erklärt Organisator Pascal Erard. 

Emanuel Sturny ist Nothelfer, Samariterlehrer und Samariter bei der Feuerwehr Belp, Mitglied des Samaritervereins Kehrsatz sowie First Responder der Sanitätspolizei Bern (siehe Text links). Das alles macht er in seiner Freizeit. «Bei der App ‹Momentum› habe ich mich seit dieser Geschichte noch nicht wieder angemeldet», sagt er. Er brauche noch etwas Zeit, bis er im Falle eines Herz-Kreislauf-Stillstands selber wieder eingreifen und helfen könne.


Er habe das Ganze noch nicht vollständig verarbeitet. Wenn er wieder bereit ist, wird er sich zur Verfügung stellen. Das wird wohl bald der Fall sein. Emanuel Sturny wurde von exakt jenen Leuten gerettet, denen er eben das Retten beigebracht hatte. «Ich habe die Kursteilnehmer später getroffen und mich bei ihnen bedankt», erzählt Sturny. Er hat ein Hobby, das vielen Menschen hilft. Ihm selber. Und auch anderen.

 

(Berner Zeitung, vom 6. Mai 2016)

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